Extrem niedrige LDL-Werte unter PCSK9-Hemmung - wie sicher ist das?
In einer Analyse von Patienten, bei denen der PCSK9-Hemmer Alirocumab die LDL-Cholesterinspiegel auf Werte unter 25 mg/dl senkte, erwies sich diese Therapie insgesamt als ebenso sicher wie bei Patienten mit höheren LDL-Werten. Einzig mit Blick auf Linsentrübungen gab es einen Unterschied, der künftig noch genauer zu beleuchten sein wird.
PCSK9-Hemmer wie Alirocumab und Evolocumab machen es heute möglich, erhöhte LDL-Cholesterinspiegel additiv zu Statinen noch einmal um bis zu 60% zu senken. Nicht wenige Patienten landen dann mit ihren LDL-Werten im Bereich unter 25 mg/dl oder sogar unter 15 mg/dl.
Ob sich diese zusätzliche LDL-Senkung klinisch auszahlt, werden die in Kürze erwarteten Ergebnisse großer randomisierter Endpunktstudien (FOURIER mit Evolocumab, ODYSSEY-OUTCOMES mit Alirocumab) zeigen. Im Vorfeld dieser Studien sind Untersucher auf Basis vorliegender Studiendaten schon mal der Frage nachgegangen, wie sicher und verträglich eine Therapie ist, unter der sich die LDL-Werte „im Keller“ befinden.
Jeder Vierte mit LDL-Werten unter 25 mg/dl
Eine Gruppe um Dr. Jennifer Robinson aus Iowa City hat zu diesem Zweck Daten von mehr als 5.200 Patienten, die an 14 klinischen Studien des ODYSSEY-Forschungsprogramms mit Alirocumab beteiligt waren, unter die Lupe genommen. Von dieser Teilnehmern waren 3.340 mit Alirocumab sowie 1.894 in Kontrollgruppen mit Placebo oder Ezetimib behandelt worden.
Unter den mit Alirocumab Behandelten waren 839 Studienteilnehmer (25,1%), die bei mindestens zwei Lipidmessungen LDL-Werte im Bereich unter 25 mg/dl aufwiesen. Davon hatten 314 (9,4%) sogar Werte, die niedriger als 15 mg/dl waren. Die Dauer der Nachbeobachtung betrug im Schnitt 1,5 Jahre.
Insgesamt kein erhöhtes Risiko …
Wie Robinson und ihre Kollegen berichten, war bei Teilnehmern mit sehr niedrigen in Relation zu jenen mit höheren LDL-Cholesterinspiegeln zumindest im zugrundeliegenden Beobachtungszeitraum insgesamt keine Zunahme von unerwünschten Ereignissen oder Komplikationen zu beobachten. Dies gilt für neurologische und neurokognitive Ereignisse ebenso wie für Diabetes und diabetischen Komplikationen. Auch renal oder hepatisch bedingte Ereignisse traten im Vergleich nicht häufiger auf.
… aber mehr Katarakte
Einzige Ausnahme: Bei Patienten mit LDL-Werten unter 25 mg/dl war die Inzidenz von Linsentrübungen (Katarakt) numerisch höher als bei Patienten mit Werten über 25 md/dl (2,0% vs. 0,6%). Eine auf andere Einflussvariablen adjustierte Analyse (propensity analysis) bestätigte die mit sehr niedrigen LDL-Werten assoziierte höhere Inzidenz (2,6% vs. 0,8%). Der Vergleich aller mehr als 3.300 Patienten der Alirocumab-Gruppe mit allen Patienten der Kontrollgruppe ergab hingegen hinsichtlich der Katarakt-Inzidenz keinen Unterschied (1,3% vs. 1,1%).
Eine definitive Erklärung für die höhere Rate bei Patienten mit sehr niedrigen LDL-Spiegeln haben die Studienautoren nicht. Sie schließen nicht aus, dass der Unterschied durch den Einfluss unkontrollierter „Störfaktoren“ (confounder) beim nicht auf Randomisierung basierenden Gruppenvergleich zustande gekommen sein könnte. Wie alle Experten räumen auch Robinson und ihrer Kollegen ein, dass in puncto Langzeit-Sicherheit von PCSK9-Hemmern noch viel Klärungsbedarf besteht.
Schon bald Ergebnisse großer Studien
In wenigen Wochen wird sich diesbezüglich die Datenlage wohl entscheidend verändern. Mitte März werden beim Kongress des American College of Cardiology (ACC) in Washington erstmals die mit Spannung erwarteten Ergebnisse großer klinischer Endpunktstudien mit PCSK9-Hemmern vorgestellt. Auf dem Programm steht dabei unter anderen die FOURIER-Studie. In dieser multinationalen placebokontrollierten Studie ist bei rund 27.500 Hochrisiko-Patienten geprüft worden, ob es mit dem PSCK9-Hemmer gelingt, additiv zu einer Statintherapie die Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse weiter zu verringern.
Angekündigt sind für den ACC-Kongress zudem die Studien SPIRE-1 und SPIRE-2 - mit denen es allerdings eine besondere Bewandtnis hat. Auch in diesen Studien ist die Wirkung eines neuen PCSK9-Hemmers – nämlich Bococizumab - auf die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität geprüft werden sollte.
Allerdings hat der Hersteller (Pfizer) einer Pressemitteilung vom November 2016 zufolge die klinische Entwicklung dieses Lipidsenkers inzwischen gestoppt – und damit vorzeitig auch die beiden SPIRE-Studien. Was nach dieser Entscheidung von diesen ebenfalls in großem Maßstab geplanten Studien noch übrig geblieben ist, wird sich bald zeigen. Und auch über die Gründe für den beschlossenen Entwicklungsstopp wird man dann vielleicht mehr erfahren. In besagter Pressemitteilung war die Rede von unerwarteter Abschwächung der cholesterinsenkenden Wirkung mit der Zeit, einem höheren Grad an Immunogenität sowie einer höheren Rate an Reaktionen an der Einstichstelle der Injektion im Vergleich zu anderen PCSK9-Hemmern.
Literatur
Robinson J G, et al.: Safety of very low low-density lipoprotein cholesterol levels with alirocumab: pooled data from randomized trials. J Am Coll Cardiol 2017; 69:471 – 82. DOI: 10.1016/j.jacc.11.037