Neue Leitlinie zu Brustschmerz: 10 wichtige Aussagen
Die American Heart Association und das American College of Cardiology haben eine Leitlinie ausschließlich zur Brustschmerzdiagnostik veröffentlicht – die erste in den USA. Empfohlen wird etwa Bildgebung selektiver einzusetzen und Patienten mehr in Entscheidungen einzubeziehen.
Thoraxschmerz ist einer der häufigsten Gründe, warum Menschen einen Arzt aufsuchen. Er stellt sowohl in der Notaufnahme als auch im ambulanten Bereich eine diagnostische Herausforderung dar. Jetzt wurde die erste US-amerikanische Leitlinie veröffentlicht, die sich ausschließlich auf Brustschmerzen konzentriert. Den Autoren zufolge soll sie neue Ansätze liefern, um die Ursache der Symptome einzuschätzen und so die Prognose der Patienten verbessern.
Das sind die zehn wichtigsten Empfehlungen der neuen Leitlinie:
1) Weite Definition von Brustschmerz
Die beteiligten Mediziner raten, den Begriff Brustschmerz nicht zu eng zu fassen. Schmerzen, ein Gefühl von Druck, Enge oder andere Missempfindungen in Brust, Schultern, Armen, Nacken, Rücken, Oberbauch oder Kiefer sowie Kurzatmigkeit und Müdigkeit sollten als anginöse Äquivalente betrachtet werden.
2) Troponin-Tests als bevorzugter Standard
Tests auf hochsensitives Troponin seien der bevorzugte Standard für eine Biomarker-Diagnostik von akutem Herzinfarkt, da sie ein genaues Erkennen bzw. Ausschließen einer Myokardschädigung ermöglichen, heißt es in der Leitlinie.
3) Frühzeitige Behandlung akuter Symptome
Patienten mit akutem Brustschmerz oder schmerzähnlichen Symptomen sollten sofort einen Notarzt alarmieren. Auch wenn es sich bei den meisten Betroffenen nicht um eine kardiale Ursache handelt, sollte der Fokus bei allen auf einem raschen Erkennen oder Ausschließen lebensbedrohlicher Ursachen liegen.
4) Patienten in Entscheidungen einbinden
Die Autoren empfehlen, klinisch stabile Patienten mit Thoraxschmerz in die Entscheidung über das weitere Vorgehen einzubeziehen. Sie sollten über das Risiko für unerwünschte Ereignisse, Strahlenexposition, Kosten und alternative Optionen informiert werden.
5) Keine Routinetests bei niedrigem Risiko
Bei Patienten mit akutem oder stabilem Brustschmerz, bei denen ein geringes Risiko festgestellt wurde, ist keine dringende diagnostische Untersuchung auf koronare Herzkrankheit (KHK) erforderlich, so die Autoren der Leitlinie.
6) Orientierung an standardisierten Verfahren
Die neue Leitlinie empfiehlt Ärzten in der Notaufnahme und im ambulanten Bereich standardisierte Risikobewertungen und klinische Behandlungspfade zu verwenden, um Brustschmerz richtig einzuschätzen und mit den Betroffenen zu kommunizieren.
7) Häufigkeit der Begleitsymptome variiert nach Geschlecht
Brustschmerzen sind das dominierende und häufigste Symptom bei Männern und Frauen, bei denen ein akutes Koronarsyndrom diagnostiziert wird. Bei Frauen könne es jedoch häufiger zu Begleitsymptomen wie Übelkeit und Kurzatmigkeit kommen, geben die Autoren zu bedenken.
8) Selektiver Einsatz von Bildgebung und Tests
Patienten mit akutem oder stabilem Brustschmerz, bei denen die Vortestwahrscheinlichkeit für eine obstruktive KHK mittel oder mittel bis hoch ist, profitieren der Leitlinie zufolge am meisten von kardialen bildgebenden Verfahren und Tests.
9) „Atypisch“ durch „nichtkardial“ ersetzen
Die Autoren der Leitlinie empfehlen, den Begriff „nichtkardial“ zu verwenden, wenn kein Verdacht auf eine Herzerkrankung besteht. „Atypisch“ sei eine irreführende Beschreibung von Brustschmerzen, von der abzuraten sei.
10) Strukturierte Verfahren zur Risikobewertung
Bei Patienten mit akuten oder stabilen Brustschmerzen sollte das Risiko für eine KHK und unerwünschte Ereignisse der Leitlinie zufolge anhand evidenzbasierter Diagnoseprotokolle abgeschätzt werden.
Literatur
Gulati M et al. 2021 AHA/ACC/ASE/CHEST/SAEM/SCCT/SCMR Guideline for the Evaluation and Diagnosis of Chest Pain: A Report of the American College of Cardiology/American Heart Association Joint Committee on Clinical Practice Guidelines. Journal of the American College of Cardiology/Circulation 2021. https://doi.org/10.1016/j.jacc.2021.07.053