Nachrichten 20.03.2017

Wiedereröffnung chronischer Koronarverschlüsse: Viel Mühe, wenig Ertrag?

Die Wiedereröffnung chronischer Koronarverschlüsse (chronic total occlusion, CTO) ist schwierig und erfordert viel Expertise. Ob die Patienten von diesen oft komplexen Eingriffen  prognostisch profitieren, ist unklar. Der Versuch, einen solchen Nutzen nun erstmals in einer randomisierten Studie zu dokumentieren, schlug  fehl.

Bis zu  20% aller Patienten mit koronarer Herzkrankheit weisen bei perkutanen Koronarinterventionen (PCI) chronische Koronarverschlüsse (chronic total occlusion, CTO) auf. Der chronische Koronarverschluss wird gerne als die „letzte Grenze“ (last frontier) der interventionellen Kardiologie bezeichnet. Definiert sind CTO  als  komplette Verschlüsse (TIMI-0-Fluss) der Koronararterie von mehr als dreimonatiger Dauer.

Assoziation mit erhöhtem Sterberisiko

Solche Verschlüsse sind auf längere Sicht mit einem erhöhten Sterberisiko assoziiert, wie erst kürzlich eine  Analyse schwedischer Registerdaten bestätigt hat. Ob eine katheterbasierte CTO-Rekanalisation  dieses Risiko  verringert, ist mangels  randomisierter Studien noch unklar.

Perkutane Koronarinterventionen zur CTO-Rekanalisation (CTO-PCI) sind  technisch anspruchsvolle und häufig sehr aufwendige Prozeduren,  die auch für die Patienten durch Kontrastmittelmenge und Strahlenexposition Belastungen mit sich bringen. Gleichwohl werden sie an vielen Kliniken durchgeführt. Die technische Erfolgsquote liegt in erfahrenen Zentren mittlerweile bei über 85%.

Nach Erfahrungsberichten können  durch CTO-PCI Symptome verbessert und die ischämische Belastung verringert werden. Retrospektive Analysen haben ergeben, dass Patienten mit erfolgreicher CTO-PCI eine niedrigere Mortalität hatten als Patienten, bei denen diese Intervention nicht erfolgreich war. Beweiskräftige Belege sind das aber nicht.

Eine  PCI bei klinisch stabilen  Patienten mit Koronarstenosen  gilt als  Maßnahme, die zwar Symptome, aber nicht die Prognose verbessern kann. Die CTO-PCI wird  hingegen immer wieder mit der Erwartung  einer möglichen Prognoseverbesserung verknüpft.  Ob die CTO-Rekanalisation diesen Anspruch erfüllt, lässt sich nur in randomisierten Studien klären.

Studie an Zentren in Süd-Korea

Neben der  europäischen EURO-CTO-Studie ist dazu in Süd-Korea schon vor vielen  Jahren die  DECISION-CTO -Studie gestartet worden. Ihre von Studienleiter   Dr. Seung-Jung Park vom Asan Medical Center in Seoul beim ACC-Kongress vorgestellten  Ergebnisse  sind für die Verfechter der CTO-Rekanalisation eine  herbe Enttäuschung.

Die Studie verlief  anders  als geplant. Statt de facto 815 KHK-Patienten  mit CTO sollten  ursprünglich knapp 1.300  Teilnehmer in die Studie aufgenommen werden.  Dazu ist es wegen schleppender  Rekrutierung, die einen vorzeitigen Stopp der Studie zur Folge hatte,  nicht gekommen. Von den tatsächlich rekrutierten  Patienten wurden  417 einer CTO-PCI plus optimaler medikamentöser Therapie (OMT) und  398 einer alleinigen OMT ohne CTO-PCI zugeteilt. Die Rate für den technischen Erfolg der CTO-PCI betrug 91%.

Nach drei Jahren kein Unterschied

Die Bilanz nach drei Jahren Nachbeobachtung: Gemessen an den  Raten für die Ereignisse Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall und erneute Revaskularisation (primärer Endpunkt)  bestand kein relevanter Unterschied  zwischen  CTO-PCI- und OMT-Gruppe ( 20,6% vs. 19,6%). Nach fünf Jahren sah es bei Raten von 26,3% respektive  25,1% für die CTO-PCI nicht besser aus. Auch die Analyse von diversen  Messungen der Lebensqualität  ergab keinen Vorteil der CTO-Rekanalisation.

Eine auf Basis der 3-Jahres-Ergebnisse für den primären Endpunkt durchgeführte Intention-To-Treat-Analyse habe die „Nicht-Unterlegenheit“ der OMT als initiale Strategie bei Patienten mit CTO bestätigt, so Studienleiter Seung-Jung Park. Anders gesagt: Der Verzicht auf eine CTO-PCI ist nicht schlechter als ihre Durchführung.

In der „Per-Protocol“- und „As-Treated“-Analyse seien die statistischen Kriterien für „Nicht-Unterlegenheit“ der OMT jedoch nicht erfüllt worden, fügte Seung-Jung Park noch hinzu. Lässt sich daraus Hoffnung schöpfen, in künftigen randomisierten Studien doch noch eine Überlegenheit der CTO-PCI nachweisen zu können?

Einige Experten übten Kritik am Design der DECISION-CTO-Studie. Mit den Ereignissen Tod und Herzinfarkt seien die „falschen Endpunkte“ gewählt worden.  Primäres Ziel der CTO-PCI sei aber die Symptomverbesserung, die man deshalb besser in den Fokus der Studie hätte stellen sollen. Allerdings ist die Lebensqualität der Studienteilnehmer  ja quantifiziert worden – ohne dass sich dabei ein Unterschied gezeigt hat.

 

Literatur

Seung-Jung Park: Drug-Eluting Stent Versus Optimal Medical Therapy in Patients With Coronary Chronic Total Occlusion: DECISION CTO Randomized Trial. Sitzung: Late-Breaking Clinical Trials III, Kongress des American College of Cardiology  (ACC) 2017, 17.-19. März 2017, Washington DC

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