Antihypertensiva und Depressionen

Dänische Forscher sehen eine Beziehung zwischen einigen Antihypertensiva und einem niedrigeren Risiko für Depressionen. Ob dieser Zusammenhang kausaler Natur ist, ist allerdings noch die Frage.

Von Peter Overbeck

 

27.08.2020

Hypertonie sowie kardio- und zerebrovaskuläre Erkrankungen gehen bekanntlich mit einem erhöhten Risiko für Depressionen einher. Würde eine längerfristige Einnahme von blutdrucksenkenden Medikamenten dieses Risiko in die eine oder andere Richtung verändern?

 

Diese Frage wollte eine dänische Forschergruppe um Dr. Lars Vedel Kessing von der Universität Kopenhagen auf der Grundlage von „Real World“-Daten aus miteinander verlinkten Patientenregistern in Dänemark klären. Deren Analyse ergab, dass zumindest neun von insgesamt 41 antihypertensiv wirksamen Substanzen mit einem signifikant niedrigeren Risiko für Depressionen assoziiert waren.

 

Zu dieser Neuner-Gruppe zählten zwei von 16 analysierten Blockern des Renin-Angiotensin-Systems (Enalapril und Ramipril), drei von zehn Kalziumantagonisten (Amlodipin, Verapamil und Verapamil-Kombinationen) sowie – zur Überraschung der Studienautoren – auch vier von 15 analysierten Betablockern (Propranolol, Atenolol, Bisoprolol und Carvedilol).

Diuretika ohne Bezug zu Depressionen

In der Gruppe der Diuretika war dagegen kein einziger Wirkstoff  mit einem niedrigeren Risiko für Depressionen assoziiert. Im Übrigen stand keiner der 41 analysierten Blutdrucksenker in Beziehung zu einem erhöhten Depressionsrisiko.

In die Studie waren alle 5,4 Millionen im Januar 2005 in Dänemark lebenden Personen aufgenommen worden. Ihre Nachbeobachtung erstreckte sich über zehn Jahre und endete im Dezember 2015.

 

In dieser Zeit waren 3.747.190 Personen blutdrucksenkend wirksame Medikamente verordnet worden. Deren längerfristige Einnahme ist dann in Beziehung zur Inzidenz von im gleichen Zeitraum registrierten depressiven Störungen gesetzt worden. Deren Häufigkeit haben Kessing und seine Kollegen wiederum anhand von getroffenen Depressionsdiagnosen (ICD-Codes) und Antidepressiva-Verordnungen ermittelt.

Was steckt hinter den gezeigten Assoziationen?

Zur Gruppe der neun Antihypertensiva, für die eine Assoziation mit einer niedrigeren Inzidenz von Deptressionen nachweisbar war, zählen jeweils nur einzelne Vertreter aus pharmakologisch sehr unterschiedlichen Wirkstoffklassen.  Welche gemeinsamen und eine Wirkung auf Depressionen plausibel machenden Eigenschaften diese neun Blutdrucksenker auszeichnet und von den übrigen 32 Blutdrucksenkern ohne Bezug zum Depressionsrisiko unterscheidet, ist derzeit völlig unklar.

 

Auch kann die aktuelle Analyse einen günstigen Effekt spezifischer Antihypertensiva auf die Entwicklung von Depressionen zwar nahelegen, nicht aber beweisen. Der Nachweis, dass den gezeigten Assoziationen ein kausaler Zusammenhang zugrunde liegt, steht noch aus. Dafür bedarf es randomisierter kontrollierter Studien.

 

Die dänischen Forscher um Kessing werten die Ergebnisse ihrer Studie gleichwohl als hilfreich für die Praxis. Ihre Empfehlung lautet jedenfalls, bei Patienten mit einem erhöhten Risiko für depressive Störungen oder schon zuvor aufgetretener Depression oder Angststörung in Abhängigkeit von der Indikation möglichst eine der neun Substanzen, die nachweislich mit einem niedrigeren Risiko einhergehen, zu verordnen.


Literatur

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