Kardiovaskuläres Risiko: Welche Rolle spielt Amyloid-Beta (1-40)
Eine multizentrische Kohortenstudie stellt einen Zusammenhang zwischen Amyloid-Beta-Gehalt im peripheren Blut und kardiovaskulärer Sterblichkeit her. Die jetzt auch preisgekrönte Untersuchung wirft spannende Fragen auf.
Zusammen mit Kollegen der Universität Athen sowie des Deutschen Herzzentrums in München haben Kardiologen um Dr. Konstantinos Stellos und Professor Andreas Zeiher von der Universität Frankfurt in einer aufwändigen, retrospektiven Analyse von drei prospektiven Kohortenstudien und zwei Fall-Kontroll-Studien einen Zusammenhang zwischen Amyloid-Beta (1-40) und der kardiovaskulären Sterblichkeit bzw. schweren kardiovaskulären Ereignissen (MACE) hergestellt.
Für die Arbeit, die jetzt im „Journal of the American College of Cardiology“ publiziert wurde, hatte die Deutsche Herzstiftung den Wissenschaftlern bereits ihren mit 10.000 Euro dotierten Wilhelm P. Winterstein-Preis 2014 verliehen.
Je mehr Amyloid-Beta, desto früher tot
Das sonst eher aus der Alzheimer-Pathologie bekannte Peptid Amyloid-Beta wurde aus gesammelten Blutproben der fünf Patientenkohorten bestimmt. In zwei der prospektiven Kohorten in Athen und München wurden über einen Zeitraum von im Median 4,4 Jahren die kardiovaskulären Ereignisse aufgezeichnet. Die Analysen waren relativ komplex, auch weil die Amyloid-Beta (1-40)-Level in den unterschiedlichen Kohorten wegen unterschiedlicher Lagerungsbedingungen der Blutproben nicht direkt vergleichbar waren. Es konnten also keine festen Grenzwerte ermittelt und angegeben werden.
Die Wissenschaftler konnten aber trotzdem zeigen, dass sowohl in der Athener als auch in der Münchener Kohorte jenes Viertel der Patienten mit den höchsten Amyloid-Beta-Werten im Vergleich zu jeweils allen anderen Patienten eine signifikant höhere kardiovaskuläre Mortalität und eine signifikant höhere MACE-Rate aufwies. Im Studienzeitraum lag die Todesrate im höchsten Amyloid-Beta-Quartil in beiden Kohorten in der Größenordnung von circa 20%, in den anderen Quartils war es jeweils die Hälfte oder weniger.
Nur Risikoindikator oder eigenständiger pathogenetischer Faktor?
Die Ergebnisse könnten sich aus zwei Gründen als klinisch sehr relevant herausstellen. Zum einen bringt sich Amyloid-Beta (1-40) damit als ein neuer kardiovaskulärer Risikofaktor ins Spiel, der die gängigen Schemata zur kardiovaskulären Risikostratifizierung ergänzen bzw. optimieren könnte. Zum anderen stellt sich die spannende Frage, ob und wenn ja wie Amyloid-Beta an der kardiovaskulären Pathologie beteiligt ist und damit vielleicht sogar als ein neues therapeutisches Target in Frage kommt.
Professor Bryan Williams vom University College London diskutiert diesen letztgenannten Punkt ausführlich in seinem begleitenden Editorial. Er macht deutlich, dass zirkulierende Amyloid-Beta-Peptide wahrscheinlich überwiegend aus den Blutplättchen stammen.
Bekannt ist auch, dass sie Bestandteile atherosklerotischer Plaques sind. Eine Hypothese lautet, dass die Aktivierung der Makrophagen und möglicherweise auch der Blutplättchen in der atherosklerotischen Plaque mit der Umwandlung von Amyloid-Precursor-Protein zu Amyloid-Beta-Peptiden einhergeht. Amyloid-Beta würde in diesem Modell zu einem Marker für Plaque-Vulnerabilität bzw. zu einer potenziellen Angriffsstelle für plaquestabilisierende Therapien.
Spannende Fragen
Das alles sind Hypothesen, die es erst einmal zu überprüfen gilt. Williams versäumt nicht, darauf hinzuweisen, dass das gewählte Studiendesign nicht sicher ausschließen kann, dass Amyloid-Beta kein eigener Risikofaktor ist, sondern vielleicht einfach nur ein zum Beispiel mit eingeschränkter Nierenfunktion einhergehender Risikoindikator. Insgesamt sei die Untersuchung zu klein, um definitive Antworten geben zu können. Die Fragen, die sie aufwirft, hält Williams aber für umso spannender.
Bewerbungsschluss für den Wilhelm P. Winterstein Preis 2015 ist am kommenden Donnerstag, 12.3.2015. Unterlagen zur Bewerbung finden Sie hier.
Literatur
Stamatelopoulos K et al. Amyloid-Beta (1-40) and the risk of death from cardiovascular causes in patients with coronary heart disease. J Am Coll Cardiol. 2015;65(9):904-16
Williams B. Amyloid Beta and cardiovascular disease. J Am Coll Cardiol. 2015;65(9):917-9