Schlafmangel könnte Gewichtszunahme und Bauchfett begünstigen
In einer Studie wurden Probanden unter Laborbedingungen einem tagelangen Schlafentzug ausgesetzt. Danach wogen sie mehr und hatten mehr Bauchfett. Kardiologen sollten vielleicht deshalb, so das Resümee eines Experten, auch die Schlafqualität ihrer Patienten beachten.
Schlafmangel könnte eine Gewichtszunahme und die Ablagerung von Viszeralfett begünstigen. Die entsprechende Evidenz dafür liefert jetzt eine randomisierte kontrollierte Crossover-Studie, im Rahmen derer Probanden unter Laborbedingungen tagelangem Schlafentzug ausgesetzt wurden.
„In dieser Studie zeigte sich, dass ein 14-tägiger experimentell erzeugter Schlafentzug im Kontext einer uneingeschränkten Nahrungszufuhr eine erhöhte Energiezufuhr zur Folge hat, ohne dabei den Energieverbrauch zu erhöhen, und dies zu einer signifikanten Gewichtszunahme führt“, fassen die Autorinnen um Prof. Naima Covassin von der Mayo Clinic in Rochester ihre Ergebnisse zusammen.
Evidenz für kausalen Zusammenhang
Dass Schlafmangel mit einer abdominalen Adipositas in Verbindung stehen könnte, darüber wird schon länger spekuliert. Ein solcher Zusammenhang hatte sich nämlich in epidemiologischen Studien gezeigt. Unklar war allerdings, ob tatsächlich eine Kausalität hinter den Beobachtungen steckt, also ob Schlafdefizit ursächlich zur Gewichts- und Bauchfett-Zunahme beiträgt. Laut Covassin und Kollegen liefert ihre Studie nun die erste Evidenz für einen solchen kausalen Zusammenhang.
Zwölf gesunde, nicht übergewichtige Probandinnen und Probanden in einem Alter von 19 bis 39 Jahren haben die Wissenschaftlerinnen von der Mayo Clinic für ihre Studie rekrutiert (9 Männer, 3 Frauen). Vor Studienbeginn wurden alle Teilnehmer dazu angehalten, möglichst acht Stunden pro Tag zu schlafen, keinen Alkohol und kein Koffein zu sich zu nehmen und übermäßige körperliche Anstrengungen zu vermeiden.
Schlafentzug unter Laborbedingungen
Die darauffolgenden jeweils 21 Tage andauernden Studienperioden verbrachten die Probanden in einem Forschungsinstitut der Mayo Clinic. Während einer Studienphase durften die Teilnehmerinnen und Teilnehmer 2 Wochen lang nur 4 Stunden pro Tag schlafen. Vor diesen 14 Tagen gab es eine viertägige Akklimatisations-, danach eine dreitätige Erholungsphase, in der jeweils neun Stunden Schlaf pro Tag erlaubt waren.
Die Kontrollphase dauerte ebenfalls 21 Tage lang. In dieser Zeit durften die Probanden bis zu neun Stunden am Tag schlafen. Die Teilnehmer wurden den jeweiligen Phasen per Zufallsprinzip zugeteilt. Im Anschluss wechselten sie zur jeweils anderen Gruppe. Die tatsächliche Schlafdauer wurden mithilfe einer Polysomnografie aufgezeichnet. Essen konnten die Teilnehmer während beider Studienphasen, was sie wollten.
Erhöhte Kalorienzufuhr bei gleichem Verbrauch
Der in der Studie künstlich erzeugte Schlafmangel machte sich am Ende tatsächlich auf der Waage der Teilnehmer bemerkbar: So nahmen die Probanden während der schlaflosen Zeiten signifikant mehr Kalorien zu sich als in der Kontrollphase, in der sie ausreichend schliefen (+ 308 Kcal/Tag; p=0,015). Auch Protein- und Fettzufuhr stiegen an (p=0,050 bzw. 0,046). Der Energieverbrauch blieb während des Schlafentzuges allerdings unverändert (p=0,16). Die Folge war eine signifikante Gewichtszunahme: Im Schnitt wogen die Probanden nach der Schlafentzugs-Phase 0,5 kg mehr (p=0,0008).
Mehr Bauchfett nach Schlafentzug
Neben der bloßen Gewichtszunahme wirkte sich der Schlafmangel auch auf das Fettverteilungsmuster der Teilnehmer aus. Der Körperfettanteil blieb zwar in der Folge unverändert, gemessen anhand einer Dual-Röntgen-Absorptiometrie (p=0,710). Allerdings war in den CT-Aufnahmen eine signifikante Zunahme des abdominalen Fettgehalts nachweisbar (+ 15,2 cm²; p=0,011), es kam sowohl zu vermehrten Ablagerungen von subkutanen wie auch viszeralen Fettdepots (p=0,047 bzw. 0,042). Die Zunahme des intraabdominalen Fetts setzte sich auch noch in der Erholungsphase, also nach dem Schlafentzug, weiter fort. Im Gegensatz dazu nahmen Kalorienzufuhr und Gewicht der Teilnehmer wieder ab, sobald sie ausreichend schliefen.
Durch welche Mechanismen der Schlafentzug eine veränderte Fettverteilung bewirkt, können die Autoren allerdings nicht erklären. Denkbar wäre ihren Ausführungen nach eine Dysregulation der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse oder anderer Hormonsysteme, die den Appetit regulieren. Allerdings ließen sich bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmer keine veränderten Konzentrationen entsprechender Hormone während des Schlafentzugs feststellen.
Kardiologen sollten ggf. Schlafstörungen evaluieren
Trotz dieser offenen Frage bekräftigt der Adipositas-Spezialist Prof. Harold Edward Bays in einem Editorial die Bedeutung von Schlafstörungen als potenzielle sekundäre Ursache für eine Bauchfett-Anreicherung. Die aktuellen Ergebnisse von Covassin et al. bestätigten dies, fügt er hinzu. Der Mediziner von der University of Louisville erinnert daran, dass ein erhöhter Taillenumfang ebenso wie die Akkumulation von Viszeralfett mit einem gesteigerten kardiometabolischen Risiko korrelieren. „Kurzum, Patienten könnten womöglich davon profitieren, wenn Kardiologen bei der Beurteilung ihres kardiovaskulären Risikos in Erwägung ziehen, das Vorhandensein potenzieller Schlafstörungen und einer viszeralen Fettanreicherung zu evaluieren“, lautet Bays Fazit.
Literatur
Covassin N et al. Effects of Experimental Sleep Restriction on Energy Intake, Energy Expenditure, and Visceral Obesity; J Am Coll Cardiol. 2022;(13):1254–65
Bays HE. Evaluation and Practical Management of Increased Visceral Fat: Should Cardiologists Lose Sleep Over It?J Am Coll Cardiol. 2022,79(13):1266–9