Vorhofflimmern plus Koronarstent: Goodbye klassische Triple-Therapie?
Eine duale antithrombotische Therapie (orales Antikoagulans plus nur ein Thrombozytenhemmer) hat bei KHK-Patienten mit Vorhofflimmern und Stent-Implantation ein günstigeres Nutzen/Risiko-Profil als die klassische Triple-Therapie aus Vitamin-K-Antagonist plus dualer Plättchenhemmung, wie eine Metaanalyse jetzt belegt.
Das antithrombotische Management bei Patienten mit Vorhofflimmern und KHK, die einen Koronarstent erhalten, ist keine leichte Aufgabe. In Befolgung der Leitlinien verpflichtet die Stent-Implantation zu einer befristeten Therapie mit zwei Thrombozytenhemmern (Duale Antiplättchen-Therapie oder DAPT mit ASS plus einem P2Y12-Hemmer wie Clopidogrel), während das Vorhofflimmern bei erhöhtem Schlaganfallrisiko nach einer oralen Antikoagulation als Prophylaxe verlangt.
Bei Vorhofflimmern kann eine DAPT nicht die Antikoagulation als Thromboembolie-Prophylaxe und bei Stent-Implantation die orale Antikoagulation nicht die DAPT als Stentthrombose-Prophylaxe ersetzen. Somit führt an der Triple-Therapie aus Antikoagulans und DAPT anscheinend kein Weg vorbei. In den Leitlinien wird sie jedenfalls empfohlen.
Blutungen als Limitierung der Triple-Therapie
Wichtigste klinische Limitierung der intensivierten Triple-Therapie ist aber das damit assoziierte Blutungsrisiko. Schwere Blutungen im Kontext einer PCI gehen mit einem erhöhten Sterberisiko einher. Diese Risikoerhöhung könnte direkt oder indirekt – etwa aufgrund des vorübergehenden oder permanenten Absetzens antithrombotischer Medikationen – auf die Blutungen zurückzuführen sein.
Deshalb ist in der Forschung nach neuen antithrombotischen Therapieregimen gesucht worden, die bei gleicher Reduktion thrombotischer Ereignisse zu deutlich weniger Blutungen führen.
In Studien wie WOEST, PIONEER-AF und RE-DUAL-PCI sind mittlerweile unterschiedliche „Mixturen“ aus oraler Antikoagulation plus nur einem Thrombozytenhemmer (in der Regel wurde ASS weggelassen) mit der klassischen Triple-Therapie (Vitamin-K-Antagonist plus ASS und Clopidogrel) verglichen worden. In WOEST war das geprüfte duale Regime eine Kombination aus Vitamin-K-Antagonist plus Clopidogrel, in PIONEER-AF eine Kombination aus Rivaroxaban (15 mg/Tag bzw. 2x2,5 mg/Tag) plus Clopidogrel und in RE-DUAL-PCI eine Kombination aus Dabigatran (110 mg oder 150 mg/Tag) plus P2Y12-Hemmer (Clopidogrel oder Ticagrelor).
In allen Studien zeigte sich, dass die Blutungsrate unter der jeweiligen dualen antithrombotischen Therapie signifikant niedriger war als unter der klassischen Triple-Therapie. im Hinblick auf die Inzidenz ischämischer Ereignisse wurden dagegen keine relevanten Unterschiede beobachtet. Allerdings sind die bisherigen Studien aus statistischer Sicht alle zu klein, um die Wirkung dieser antithrombotischen Strategien auf die Inzidenz kardiovaskuläre Ereignisse zuverlässig klären zu können.
Daten aus vier randomisierten Studien gepoolt
Eine Gruppe internationaler Forscher um Dr. Deepak Bhatt von der Harvard Medical School in Boston hielt es deshalb für angebracht, die gepoolten Daten aller einschlägigen randomisierten Studien zwecks Steigerung der statistischen Teststärke („power“) in eine Metaanalyse einfließen zu lassen. Außer den drei bereits genannten Studien wurde dafür auch noch die ISAR-TRIPLE-Studie herangezogen. Nicht berücksichtigt wurden die Daten aus dem PIONEER-AF-Studienarm, in dem Rivaroxaban bei 709 Patienten in der niedrigen Dosierung von 2,5 mg zweimal täglich zum Einsatz kam. Zusammen bringen es die vier Studien auf 5317 Teilnehmer.
Duale Therapie ist sicherer
Das Ergebnis der Metaanalyse entspricht – wenngleich auf robusterer Basis - dem der Einzelstudien: Das Risiko für Blutungen (schwere oder leichtere Blutungen gemäß TIMI-Definition) war in der Gruppe mit dualer antithrombotischer Therapie relativ um 47% niedriger als in der Gruppe mit klassischer Triple-Therapie (4,3% vs. 9,0%). Auch das Risiko für intrakranielle Blutungen war relativ um 42% geringer, wobei dieser Unterschied zugunsten der dualen antithrombotischen Therapie nicht signifikant war.
Kein Unterschied bei kardialen Ereignissen
Dagegen erwiesen sich die Raten für schwerwiegende kardiale Ereignisse - letztere wurden gemäß ihrer Definition in den jeweiligen Studienprotokollen berücksichtigt – als nicht signifikant unterschiedlich (10,4% vs. 10,0%). Auch die separate Analyse einzelner Komponenten wie Gesamtmortalität, kardial bedingte Mortalität, Myokardinfarkt und Stentthrombose ergab keine relevanten klinischen Unterschiede zwischen dualer Therapie und Triple-Therapie.
Die „robusteren“ Ergebnisse der Metaanalyse stützen nach Einschätzung ihrer Autoren sie Sichtweise, dass eine duale antithrombotische Therapie für viele KHK-Patienten mit Vorhofflimmern die bessere Option für die Nachbehandlung nach einer PCI ist.
Noch viel Klärungsbedarf
Abschließend geklärt ist damit die Frage, welches antithrombotische Therapieregime im individuellen Fall die beste Balance zwischen Thrombose- und Blutungsrisiko bei Patienten mit Vorhofflimmern und Stent-Implantation ermöglicht, aber noch lange nicht. Soll bei der Wahl eines NOAK für die Antikoagulation die volle oder eine reduzierte Dosis zur Anwendung kommen? Soll grundsätzlich auf ASS zugunsten eines P2Y12-Hemmers verzichtet werden oder ASS doch beibehalten werden? Und welcher P2Y12-Hemmers wäre dann in welcher Dosierung der beste Kombinationspartner für welches Antikoagulans?
Derzeit laufende größere Studien wie AUGUSTUS (mit Apixaban) und ENTRUST-AF-PCI (mit Edoxaban) werden möglicherweise zur weiteren Klärung dieser Fragen beitragen. Deutsche Kardiologen prüfen in der Mitte 2016 gestarteten und vergleichsweise kleinen APPROACH-ACS-AF-Studie, ob sich durch eine Zweifachtherapie, bestehend aus Apixaban und Clopidogrel, im Vergleich zur herkömmlichen Triple-Therapie mit ASS, Clopidogrel und einem Vitamin-K-Antagonisten das Risiko für Blutungskomplikationen signifikant verringern lässt.
Literatur
Golwala H.B. et al.: Safety and efficacy of dual vs. triple antithrombotic therapy in patients with atrial fibrillation following percutaneous coronary intervention: a systematic review and meta-analysis of randomized clinical trials. Eur Heart J 2018, online 13. April. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehy162