Zyklus beeinflusst Herzrhythmus von Frauen mit Long-QT
Während eines Menstruationszyklus verändern sich die Hormon-Spiegel. Bei gesunden Frauen haben solche Schwankungen keinen bedeutsamen Einfluss auf den Herzrhythmus. Bei Frauen mit Long-QT-Syndrom neuesten Daten zufolge offenbar schon.
Viele Frauen spüren die sich verändernde Hormonlage während ihrer Menstruationszyklen: an der Stimmung, ihrer Aktivität, am Stoffwechsel usw. Doch beeinflussen solche Hormonschwankungen auch den Herzrhythmus? Bei Patientinnen mit Long-QT-Syndrom (LQTS), die ja bekanntlich ein erhöhtes Risiko für lebensbedrohliche ventrikuläre Tachykardien tragen, offenbar schon, wie prospektive Daten des Rochester LQTS-Registers nahelegen.
„Es handelt sich um die bisher größte prospektive klinische Studie, in der die Assoziation zwischen Repolarisationsmuster und Sexualhormonen während regulärer Menstruationszyklen bei Frauen mit Kaliumkanal-bedingten LQTS (LQTS vom Typ 1 und 2) und bei gesunden, nicht betroffenen weiblichen Verwandten von LQTS-Patientinnen untersucht wurde“, berichten die Autorinnen um Dr. Milica Bjelik.
Annahme: Sexualhormone beeinflussen klinischen Verlauf eines LQTS
Dass Sexualhormone den klinischen Verlauf von Menschen mit Long-QT-Syndrom beeinflussen, wird schon länger vermutet. Die Annahme rührt u.a. daher, dass bei Frauen und Männern mit LQTS in bestimmten, von Hormonumstellungen geprägten Zeiten ein vermehrtes Auftreten kardialer Ereignisse beobachtet wurde: etwa beim Übergang ins Erwachsenenleben, in der Postpartum-Zeit oder während der Perimenopause.
Kaum untersucht ist bisher allerdings, ob das Arrhythmie-Risiko von Frauen mit LQTS auch von den unterschiedlichen Phasen des Menstruationszyklus beeinflusst wird. Um dem auf den Grund zu gehen, haben Bjelik und Kolleginnen bei 43 Frauen mit genetisch bedingtem LQTS (24 Patientinnen mit LQT1 und 19 mit LQT2) während der unterschiedlichen Phasen des Menstruationszyklus mithilfe von tragbaren EKG-Rekordern jeweils sieben Tage lang den Rhythmus überwacht. Gleichzeitig bestimmten die Wissenschaftlerinnen durch Speicheltests die Konzentrationen von Östrogen, Progesteron und Testosteron. Demselben Prozedere unterzogen sich 21 weitere Frauen aus dem Register, die mit LQTS-Patienten verwandt, aber selbst nicht erkrankt waren und somit als Kontrolle dienten.
QT-Länge variierte während der Zyklen
Diese Untersuchungen brachten Bjelik und ihr Team zu folgenden Erkenntnissen:
- Das QTc-Intervall bei Frauen mit LQTS veränderte sich während des Menstruationszyklus, am längsten war es am Anfang der Follikelphase, in der Lutealphase kam es zu einer Verkürzung des QTc.
- Bei den gesunden Frauen ohne LQTS ließen sich keinen wesentlichen Veränderungen des QTc-Intervalls während der drei Zyklusphasen feststellen.
- Bei Frauen mit LQT2 zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen QTc-Verkürzung und Zunahme der Progesteron-Spiegel bzw. des Progesteron/Östrogen-Quotienten. Oder andersherum ausgedrückt: Je niedriger der Progesteron/Östrogen-Quotient war, desto länger war das QTc-Intervall.
- Darüber hinaus variierte bei Frauen mit LQT2 das RR-Intervall und die T-Welle in Abhängigkeit der Östrogen- und Testosteron-Level: bei Anstieg der Sexualhormon-Konzentrationen waren die entsprechenden Intervalle kürzer.
- Bei Frauen mit LQT1 und bei den gesunden Frauen konnte keine signifikante Assoziation zwischen der Länge der QTc-Intervalle und den Sexualhormon-Konzentrationen während des Menstruationszyklus festgestellt werden.
Einfluss bei Frauen mit LQTS vom Typ 2 besonders stark
Somit scheinen sich die hormonellen Veränderungen während des Menstruationszyklus vor allem bei Patientinnen mit einem LQTS vom Typ 2 bemerkbar zu machen. Diese Beobachtung deckt sich mit Ergebnissen früherer Studien, in denen der Einfluss der Sexualhormone bei Frauen mit LQT2 besonders ausgeprägt war (z.B. in einer Studie, in der die Auswirkungen der „Pille“ bei LQTS-Patientinnen untersucht wurde).
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass LQT2-spezifische einmalige QTc-Muster während des Menstruationszyklus die Wahrscheinlich für die Entstehung ventrikulärer Tachyarrhythmien bei Frauen mit LQT2 beeinflussen könnte“, machen die Autorinnen die potenziellen klinischen Implikationen ihrer Ergebnisse deutlich. Das könnte auch deshalb relevant sein, weil Frauen mit LQT2 unter den LQTS-Patientinnen das höchste Risiko für lebensbedrohliche Rhythmusstörungen tragen.
Bjelik und ihr Team hoffen nun, dass ihre Erkenntnisse zu einer verbesserten Risikostratifizierung und personalisierten Behandlung von Patientinnen mit LQTS beitragen könnte. Vorstellbar wäre ihrer Ansicht nach beispielweise, die antiarrhythmische Behandlung an die jeweilige Hormonlage der Frauen anzupassen.
Literatur
Bjelik M et al. Sex Hormones and Repolarization Dynamics during the Menstrual Cycle in Women with Congenital Long QT Syndrome, Heart Rhythm 2022, https://doi.org/10.1016/j.hrthm.2022.04.029.